Alles auf einmal und Alles im Griff? Die enttäuschende Wahrheit über Multitasking

Multitasking ist für die meisten Menschen Alltag. Unsere Antennen sind permanent auf Empfang gestellt. Wer nicht gerade schläft, ist dank Smartphone rund um die Uhr erreichbar. Bei der Arbeit verlangen Chefs, Kollegen, Kunden oder Mandanten die volle Aufmerksamkeit. Das Telefon klingelt, die Sekretärin plaudert, die Referendarin klopft, der Posteingang wächst. Teilweise zeitgleich. Und in der Freizeit? Immer online. Private e-mails, WhatsApp-Messages oder neue Follower auf den diversen Social-Media-Profilen werden sofort gecheckt. Der Fernseher läuft, das Kind weint und die Partnerin kommentiert die Nachrichten, während man im Internet die Worte „Vereinbarkeit Homeoffice Freizeit“ googelt. Viele Menschen kommen auch zuhause nicht zur Ruhe.

 

Digital Detox? Undenkbar!

Was ist das nun: Ein beachtliches Maß an Aufmerksamkeit und Präsenz oder verwirrender Multitasking-Irrsinn? Gefällt es uns am Ende sogar? Brauchen wir es vielleicht auch ein bisschen? Bevor Sie jetzt energisch den Kopf schütteln, überlegen Sie doch mal, wann Sie zuletzt einen ganzen Tag lang nicht auf Ihr Smartphone geschaut haben? Waren Sie schon mal ohne Handy im Urlaub? Ein schauriger Gedanke, oder? Finde ich auch. Aber wir sollten uns fragen, warum. Sind wir tatsächlich so unverzichtbar? Wohl kaum. Doch die ständige Erreichbarkeit, jederzeit alles Googlen, Nachschauen, Checken oder Buchen zu können, ist äußerst bequem und hat uns eine enorme Freiheit verschafft. Moment: Freiheit? Also im Sinne von Unabhängigkeit? Vielleicht dann doch nicht ganz, denn die Kehrseite ist nämlich dann doch wieder eine Abhängigkeit, nämlich vom Smartphone.

 

Geteilte Aufmerksamkeit als Produktivitätskiller

Viele – mich eingeschlossen – meinen, wahre Meister des Multitaskings zu sein. Doch das täuscht. Multitasking ist eine Illusion. Unser Gehirn funktioniert so nicht. Info-Bombardement und Aufgabenvielfalt führen nicht zu gesteigerter Produktivität, sondern vielmehr zu geistiger Trägheit. Multitasking ist genau genommen nur ein schneller gedanklicher Wechsel auf Kosten der Konzentration, nicht aber die Fähigkeit, mehrere Dinge mit gleicher Gedankenleistung parallel ausführen zu können. Tatsächlich macht es unser Denken also nur langsamer, wenn wir uns auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren sollen und zwar teils so sehr, als hätten wir eine Nacht nicht geschlafen oder leichte Drogen genommen.

 

Apropos Drogen: Wenn wir eine kleine Aufgabe erledigen, z.B. eine SMS abschicken, wird unser Körper kurz mit Dopamin geflutet. Unser Gehirn liebt Dopamin, daher wechseln wir gern zwischen verschiedenen kleineren Aufgaben, denn binnen kurzer Zeit nach Erledigung werden wir mit einem Hormonschub belohnt. So haben wir den trügerischen Eindruck, Vieles in kurzer Zeit zu erledigen, während wir an sich nur eher Unbedeutendes, wenig Anspruchsvolles abhaken. Darüber hinaus ist unsere Aufmerksamkeitsspanne mittlerweile erschreckend kurz. Längere Fokussierung fällt Einigen enorm schwer. Einen langen Text lesen? Keine Lust. Keine Zeit. Entweder sind wir gehetzt oder unser Kopf ist schon voll.

 

Multitasking ist auch für die vermehrte Ausschüttung von Cortisol verantwortlich, denn der Versuch, sich auf mehrere Dinge gleichzeitig zu konzentrieren, sorgt für latenten Stress. Das beginnt bei Einigen schon mit dem bloßen Gedanken daran, dass da im Posteingang noch eine ungelesene Nachricht wartet.

 

Tipps für gestresste Multitasker

Trick 17 für diese Fälle: Die e-mails nur zu bestimmten Tageszeiten checken (z.B. bei Ankunft, zur Mittagszeit und kurz vor Feierabend) und die Notifications beim Smartphone deaktivieren. Auch ein „Digital Detox-Tag hier und da wird guttun. Das Surren findet dann zumindest kurzzeitig eine Pause, wenn auch diese Insel der Ruhe dann nur eine Momentaufnahme im Meer des aufmerksamkeitsfordernden Lärms darstellt.