Generation Z: Wie ticken die Jurastudenten und Referendare von heute?

Um der Frage nachzugehen, was junge Juristen heute bewegt, sprach unsere Autorin Julia Torner mit der Rechtsreferendarin Felicitas Famulla (26) über Examensdruck, Arbeit in einer Großkanzlei und Anwälte in den Sozialen Medien. Felicitas hat in Mainz studiert und ist Referendarin in Wiesbaden.

 

Feli, wie ist Dein Erstes Staatsexamen gelaufen?

Ich habe 10,38 Punkte im staatlichen Bereich und 10,0 Punkte im Schwerpunkt-Bereich. Das war aber auch viel Arbeit. Zugeflogen ist es mir jedenfalls nicht.

 

Wow, klasse! Hast Du im Studium schon früh sehr viel Gas gegeben?

Nein, gar nicht. Es gab sogar zwischendurch eine Null-Bock-Phase, weil es mich so frustriert hat, dass man die ganze Zeit schlechte Noten bekam. Ich hatte das Gefühl, genug zu lernen, doch ich habe auch mein Studentenleben genossen, nebenbei gearbeitet und sehr viel Sport (Triathlon) gemacht.

Als ich durch die Große Übung fiel, dachte ich: Ok, jetzt muss ich wirklich Öffentliches Recht lernen, damit ich sie bestehe. Das hat auch geklappt und ich war scheinfrei, aber richtig viel gelernt habe ich erst im „Rep.“ und noch ein halbes Jahr danach. Ich habe auch keinen Freischuss gemacht.

 

Würdest Du sagen, dass beim Examen immer ein Quäntchen Glück dabei ist?

Auf jeden Fall. Ich hatte auch Glück, denn es kam zum Beispiel kein Arbeitsrecht dran, dafür aber viel Sachenrecht, womit wiederum andere nicht so gut klarkamen. Viel hängt auch von den Prüfern in der Mündlichen ab; meine waren zum Glück sehr nett.

 

Welche Stationen hast du bisher durchlaufen?

Ich war erst beim Zivilrichter, dann beim Strafrichter und bin nun – bis Ende Oktober – in der Verwaltungsstation. Die habe ich gesplittet: erst bin ich im Rechtsamt eines kleineren Kreises und danach zwei Monate beim Verwaltungsgericht.

Im Anschluss folgen neun Monate Anwaltsstation. Ursprünglich hatte ich bei der Kanzlei zugesagt, für die ich nebenbei arbeite, aber ich habe mittlerweile so viel Respekt vor dem Zweiten Staatsexamen und der Stoffmenge. Außerdem müsste ich drei Stunden pendeln, weil ich nicht in Frankfurt wohne. Dort dann vier Tage pro Woche vor Ort zu sein, das wäre – selbst, wenn man eine Tauchphase dabei hätte – zu viel. Ich werde die Station nun in einer kleinen Kanzlei machen. Das ist auch examensrelevanter.

 

Und nebenbei arbeitest Du noch?

Genau. Nach dem Ersten Examen war ich komplett ausgebrannt. Ich weiß, dass es immer heißt, man könne doch Anfang 20 noch kein Burnout haben, aber was ich hatte, war sicher ähnlich. Ich dachte: Ich kann jetzt nicht mit dem Referendariat weitermachen und sofort weiterlernen. Ich strebe ja eine gute Note an. Daher habe ich beschlossen, neun Monate zu überbrücken und erstmal nur zu arbeiten, um Geld zu verdienen. In der Kanzlei hat es mir gut gefallen und so arbeite ich dort seit Beginn des Referendariats noch einen Tag pro Woche weiter. Das war in der Strafstation echt stressig. Jetzt geht’s wieder, aber falls der Job mit dem Lernen komplett kollidiert, müsste ich aufhören.

 

Wie sieht Deine Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin aus? Was bekommst Du auf den Tisch?

Ich bin bei Banking & Finance. Das ist ein Rechtsgebiet, womit man im Studium keinerlei Berührung hat. Selbst, wenn man mal Kapitalmarktrecht gehört haben sollte. Das ist etwas ganz Anderes. Ich arbeite sehr mandatsbezogen, zum Beispiel an Verträgen oder Gesellschafterbeschlüssen. Den ersten Entwurf darf ich immer selbst machen. Manchmal muss ich auch eine juristische Frage recherchieren und einen Vermerk schreiben. Das ist dann eher wissenschaftliches Arbeiten, aber sonst ist es durchaus praxisnah.

 

Könntest Du Dir das auch als nahtlosen Berufseinstieg vorstellen oder was ist Dein Berufswunsch?

Das ist schwer zu sagen, weil es so notenabhängig ist. Ich arbeite in einer deutschen Großkanzlei, die erwarten zwei Prädikate. Andererseits wollte ich schon immer zur Staatsanwaltschaft. Das habe ich auch noch nicht ausgeschlossen. Vielleicht arbeite ich die ersten paar Jahre in einer Großkanzlei, aber auf keinen Fall mein Leben lang. Aktuell denke ich über eine Promotion im Strafrecht nach. Am besten so, dass ich 2-3 Tage pro Woche arbeiten kann und nebenbei promoviere. Das ist aber Alles noch offen.

 

Wenn Dein Berufswunsch Staatsanwältin ist, wie kommt es, dass Du beim Strafrichter warst?

Ich wurde zugewiesen, aber das ist nicht schlimm. So habe ich beides kennengelernt, weil ich auch den Sitzungsdienst machen und Anklageschriften schreiben konnte.

 

Warst Du auch im Ausland oder hat das für Dich keine Priorität?

Ich wollte die Wahlstation im Ausland machen. Jetzt – mit Corona – klappt leider gerade gar nichts mehr. Bislang war ich noch nicht im Ausland, auch nicht nach dem Abi. Ein Auslandssemester passt auch nicht gut ins Jurastudium.

Ich werde jedenfalls nach dem zweiten Examen nicht sofort arbeiten. Mein Traum ist es, sechs Monate Pause zu machen, um zu reisen.

 

Wie beeinflusst Corona Deine Planung bezüglich Wahlstation im Ausland und Berufseinstieg? Hast Du einen Plan B?

Ich habe den Plan B, dass ich einfach hierbleibe. Ich würde die Wahlstation in der Kanzlei machen, in der ich derzeit nebenbei arbeite. Viele Kanzleien sind derzeit in Kurzarbeit und stellen nicht ein. Vor Corona hatte man einen traumhaften Markt und wusste: Alle brauchen Juristen und die Anforderungen gehen runter. Ich habe das Gefühl, das könnte sich gerade ändern. Nicht unbedingt im Staatsdienst, denn die brauchen so oder so viele Leute, aber in der freien Wirtschaft.

 

Könntest Du Dir auch vorstellen, Dich selbstständig zu machen oder ist das momentan keine Option für Dich?

Als Anwältin ist es keine Option. Ich habe mich nie als Anwältin gesehen; im Zivilrecht nicht, aber auch Strafverteidigerin wäre nichts für mich. Es ist zwar spannend, aber ich bin nicht der Typ, der sich im Gerichtssaal streitet.

Vielleicht starte ich über Social Media eine nebenberufliche Selbstständigkeit. Das werde ich aber nicht im Referendariat machen, denn Selbstständigkeit bedeutet ja auch „selbst“ und „ständig“. Nicht, dass mich das zu sehr vom Lernen abhält.

 

Du bist schon jetzt sehr aktiv in den Sozialen Medien. Erzähl doch mal, auf welchen Plattformen Du zu finden bist.

Ich bin auf Instagram sehr aktiv (etwa 3.700 follower) und betreibe außerdem den Podcast beyourbestlawstudent. So heiße ich auch auf Instagram.

Einen Blog habe ich zwar auch noch, aber der ist ein bisschen eingeschlafen. Es scheint gerade nicht die Zeit für Blogs zu sein.

Xing und LinkedIn nutze ich für mich persönlich, da bin ich aber nur etwa einmal im Monat. An Youtube habe ich auch gedacht, das ist aber sicher sehr viel Arbeit. Das mache ich vielleicht eher mal nach dem Examen.

 

Glaubst Du, es würde Kanzleien etwas bringen, wenn sie in den Sozialen Medien – neben LinkedIn und Xing – präsenter wären?

Einige Kanzleien fangen jetzt an, sich einen Instagram-Account zuzulegen. Vor allem Strafverteidiger. Einen Youtube-Kanal fänd’ ich für Kanzleien auch cool. Dort könnten sie sich vorstellen und sagen: „Hier ist unsere Kaffeeküche und hier sind unsere Büroräume“. Das würde Alles nahbarer und besser vorstellbar machen. Ich wusste anfangs auch nicht wie es ist, wenn man eine Großkanzlei betritt. Da denkt man: Oha, ich bin jetzt bei „Suits! (lacht) So habe ich mich jedenfalls gefühlt. Schöne Räume, Alle sind so nett… Man hat eben an der Uni immer diese Horrorgeschichten gehört, dass man schlecht behandelt wird, wenn man in einer Großkanzlei arbeitet.

Ich fänd‘ es toll, wenn Kanzleien ein paar Einblicke liefern würden, denn davon könnten sie ja auch profitieren. Wenn man zum Beispiel von Kanzlei A schon die Kanzleiräume gesehen und auch ein paar Gesichter vor Augen hat, und von Kanzlei B weiß man gar nichts, dann würde ich mich wohl auch bei Kanzlei A bewerben.

 

Angenommen, Du müsstest Dich auf dem freien Markt bewerben: Wo würdest Du suchen?

Ich müsste erstmal wissen, welche Kanzleien für mich in Frage kommen. So habe ich mich auch um meine WiMi-Stelle beworben. Bei Iurratio gab es ein Top-50-Ranking der besten Arbeitgeber für junge Juristen. In einer Broschüre hat sich jeder Arbeitgeber vorgestellt und ich habe mir fünf, sechs Kanzleien rausgesucht, die ich gut fand. Auf den jeweiligen Websites habe ich dann nach Stellenangeboten geschaut und mich beworben.

Ansonsten gibt es Talentrocket mit einzelnen Stellenangeboten oder die LTO (Legal Tribune Online). Da bekomme ich durch den Newsletter immer neue Angebote zugeschickt. Ich würde auf jeden Fall im Internet auf den einschlägigen Juristen-Plattformen gucken.

 

Also, Du würdest Dich aktiv selbst bewerben und dich dabei nicht am Ranking der größten Kanzleien orientieren, sondern die besten Arbeitgeber suchen?

Genau. Im Studium konnte ich mir eine Großkanzlei gar nicht vorstellen. Ich bin eben auch nicht so die typische Jurastudentin gewesen. Und jetzt gefällt es mir wider Erwarten wirklich gut. Ich hatte nie vor, in die führende Kanzlei Deutschlands zu kommen und da Partnerin zu werden oder ähnliches. Ich lege eher Wert auf Work-Life-Balance und Arbeitsatmosphäre. Ob man dann mehr oder weniger Geld bekommt, ist mir nicht so wichtig.

 

Ist es bei vielen Studenten so, dass ihnen sowas wichtiger ist als Geld oder haben die meisten doch „die Dollarzeichen in den Augen“?

Ich habe das Gefühl, dass gerade die Männer auf jeden Fall später in die Großkanzlei wollen. Das zieht man dann durch. Egal, wie es Einem gefällt. Viele sehen da vor allem das Geld.

Frauen hingegen ist es eher wichtig, sich wohl zu fühlen und eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu haben. Bei einigen spielt sicher auch das Thema Familie eine Rolle.

 

Gibt es auch einen gewissen Prozentsatz, der Richtung Selbstständigkeit strebt?

Ich kenne niemanden. Es ist aber auch so: Ich gehöre zum ersten Durchlauf von Referendaren, die in Hessen verbeamtet wurden. Wegen der Verbeamtung hatten sich so viele Leute auf Wiesbaden beworben, dass bei mir in der AG fast alle ein Prädikat haben. Also alles gute Leute, die erstmal Richtung Großkanzlei wollen und gar nicht Richtung Selbstständigkeit.

 

Ist denn bei Euch in der AG Konkurrenzdruck spürbar oder ist da ein guter Zusammenhalt?

Ich komme mit allen gut klar. Wir machen „coronabedingt“ momentan fast gar nichts zusammen, überlegen aber, ob wir die AG-Fahrt nachholen. Vielleicht schweißt uns das noch etwas mehr zusammen.

Es sind alle sehr fleißig. Jeder guckt, dass er nicht untergeht. Es ist aber keine schlimme Ellenbogengesellschaft, eher ein unterbewusstes Gefühl: Oh Gott, alle sind so gut. Hoffentlich falle ich da nicht raus.

 

Hast Du eine Lerngruppe oder Leute zum Austausch?

Für das Erste Examen hatte ich eine Lerngruppe mit Jemandem, der mit mir im „Rep.“ war. Jetzt sind wir gerade dabei, zu viert eine Lerngruppe zu gründen.

 

Dabei wünsche ich Dir viel Erfolg! Danke für das nette Gespräch, Feli!

Ich danke Dir! Hat Spaß gemacht!