Gut vorbereitet Vergleiche verhandeln

Die Akte sehr gut zu kennen, wenn wir in einer Sache Vergleichsverhandlungen führen, ist natürlich egal ob gerichtlich oder außergerichtlich immer eine gute Idee. Für eine gute Vorbereitung können wir neben dem Studium der Schriftsätze bis in die Nacht hinein oder dem Nachsehen von irgendwelchen Sachverhaltsdetails beim Warten an der Ampel noch ein paar Dinge tun, die sehr hilfreich sein können. Eine kleine Checkliste finden Sie hier. Je nach Thema, Situation und vorhandener Zeit können Sie die Liste für ein kurzes Checkup im Kopf nutzen oder auch für eine ausführlichere Vorbereitung, bei der Sie sich zu den einzelnen Punkten ein paar Notizen machen. Wie immer gilt: sich diese Dinge bewusst zu machen ist der erste und wichtigste Schritt. Er kann das Folgende viel einfacher machen und lohnt sich deshalb sehr.

 

4 Punkte zur Vorbereitung

  • Das Thema hinter dem Thema aufspüren
  • Vermutliche Interessen der Gegenseite
  • Kreative Ideensammlung
  • Sicherheit – auch für den Gegner

 

Das Thema hinter dem Thema aufspüren

Es hat mit dem berühmten Eisberg zu tun, von dem nur die Spitze aus dem Wasser schaut. Genauso ist es oft mit den Positionen, die wir für unsere Mandant*innen vertreten. Sie sind nur der Teil des Problems, der über der Oberfläche liegt. Wenn wir den Blick darunter wagen, finden wir häufig das eigentliche Thema. Das ist meistens viel gewaltiger als das, was herausschaut. Es macht aber gleichzeitig auch den Raum für Lösungen weiter, weil mehr mit einbezogen und die Verhandlungsmasse dadurch vergrößert werden kann. Vielleicht ist uns durch die Gespräche mit den Mandant*innen das eigentliche Problem längst klar geworden. Ansonsten können wir nachfragen oder selbst in Gedanken einmal die Perspektive wechseln.

 

Vermutliche Interessen der Gegenseite

Natürlich können wir nicht wirklich hineinschauen in den Gegner oder die Gegnerin, um dort zu erkennen, worum es wirklich geht und oft sind wir ja auch die Letzten, denen sie es verraten würden. Aber auch hier gilt: Der Perspektivwechsel ist ein guter Trick, um selbst – abseits vom Gedankenkreisen um das Problem – noch auf neue Gedanken zu kommen. Gut möglich, dass sich die gegenseitigen Interessen gar nicht ausschließen. Und wenn wir so gar keine Idee haben, können wir auch das für unser Gespräch nutzen und vielleicht doch einmal nachfragen.

Oft werden wir feststellen, dass sich die Bedürfnisse hinter den Positionen gar nicht so unähnlich sind. Sehr vielen Konflikten liegt ein Wunsch nach Wertschätzung zugrunde, nach Sicherheit oder einfach danach, gesehen zu werden. Und dieser Wunsch äußert sich dann manchmal durch eine überhöhte Unterhaltsforderung, eine ungerechtfertigte Kündigung oder eine nicht begründbare Schadensersatzforderung. Schauen Sie doch mal in Ihrem Gebiet, wie es zu den unterschiedlichen Positionen kommt, was die Themen hinter den Themen waren. Diese Erfahrung können Sie nutzen, wenn Sie über die Beweggründe des Gegners im aktuellen Fall nachdenken.

 

Kreative Ideensammlung

Hier geht es um Flexibilität und darum, den Verhandlungsspielraum zu erweitern. Es muss nicht bei jeder Verhandlung ein Entweder-Oder sein und nicht immer bedeutet ein Gewinn für die eine Seite gleich einen Verlust für die andere. Machen Sie ein kleines Brainstorming – welche Lösungsoptionen gibt es neben den offensichtlichen? Was könnte abseits der gegenläufigen Forderungen noch möglich sein? Dieser Teil bringt Spaß! Denken Sie ruhig mal in alle Richtungen, sogar destruktive Ideen können plötzlich einen brauchbaren Anteil enthalten. Und wenn wir selbst gedanklich schon möglichst viele Optionen entwickelt haben, kommt auch das Gespräch während der Verhandlung selbst nochmal anders in Schwung und es fällt auch den anderen Beteiligten leichter, einmal in alle und auch ungewöhnliche Richtungen zu denken.

 

Sicherheit – auch für den Gegner

Es klingt möglicherweise erstmal kontraproduktiv, sich um das Sicherheitsgefühl des Gegners zu sorgen, denn wir möchten selbst gern die Oberhand haben, das Gespräch führen, den Verlauf bestimmen. In manchen Verfahren mag es auch richtig sein, die andere Beteiligten möglichst zu verunsichern, um ein Ziel zu erreichen. In Vergleichsverhandlungen ist es wertvoll, den Gegner nicht klein zu machen, sondern sogar groß. Wir alle können am besten Verhandeln, wenn wir uns sicher fühlen, gut informiert sind und somit auch einschätzen können, an welcher Stelle wir entgegenkommen oder uns entgegengekommen wird. Das gilt auch für den Gesprächspartner. Eine Überrumpelungstaktik führt hier höchstens kurzfristig weiter, denn die Unzufriedenheit hierüber wird irgendwann wieder hochkommen. Nachhaltige Vergleiche entstehen nicht, wenn sich eine Seite in die Ecke gedrängt fühlt, sondern wenn beide Seiten in der Verfassung sind, selbstwirksam zu entscheiden. Dafür können wir sorgen, indem wir einen angemessenen räumlichen und zeitlichen Rahmen schaffen. Und indem wir der Gegenseite mit Respekt und Wertschätzung für Person und Problem begegnen.

Ein Highlight wäre es dann, sogar einigermaßen ausgeschlafen in das Gespräch zu gehen – und die Akte sollten wir selbstverständlich auch trotzdem gelesen haben.