LinkedIn für Rechtsanwälte: Die eierlegende Wollmilchsau

LinkedIn? Da bin ich nicht. Solche Plattformen sind nicht so meins. – Wer sich als Jurist in solider Festanstellung befindet oder als Selbstständiger Mitte 50 auf neue Mandate und Mitarbeiter verzichten kann, mag sich so eine Haltung leisten können. Das Gros der Anwälte – die Einzelkämpfer – kann das jedoch nicht. Fakt ist: Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zählt weit über 160.000 zugelassene Anwälte. Selbstständige Rechtsanwälte – insbesondere die vielen Kollegen in kleineren Kanzleien und jene, die noch in den ersten Berufsjahren stecken – können sich im Kanzleimarketing nicht mehr nur darauf ausruhen, eine Website zu besitzen und das blank geputzte Kanzleischild rauszuhängen. Austausch, Vernetzung und Akquise finden – ergänzend zur persönlichen Begegnung – zunehmend über „soziale Medien“ statt.

 

Xing oder LinkedIn?

Als reines Business-Netzwerk war Xing in Deutschland jahrelang unbestrittener Marktführer. Unternehmer entdeckten mehr und mehr den Wert virtueller Sichtbarkeit durch Austausch, Kooperation und Vernetzung mit Kunden, alten Bekannten und neu geknüpften Kontakten. Das 2002 gegründete LinkedIn hingegen hatten die Deutschen lange nicht im Blick. In den letzten Jahren ist das Netzwerk hierzulande jedoch enorm gewachsen. Digitalisierung, Globalisierung sowie die Möglichkeit, ortsunabhängig zusammenzuarbeiten, bescheren LinkedIn – mit seiner durch und durch internationalen Ausrichtung – immer mehr Zulauf.

 

Mandanten akquirieren? Kollegen informieren? ReFa rekrutieren? Auf LinkedIn!

LinkedIn ist ein kleiner Tausendsassa. Als Anwalt oder Anwältin mit eigener Kanzlei können Sie auf LinkedIn

  • neue Mandanten gewinnen,
  • Bestandsmandanten halten,
  • neue Mitarbeiter rekrutieren,
  • sich mit Kollegen austauschen oder
  • sich informieren und über den rein fachlichen Tellerrand blicken (geschäftlich und privat).

Also LinkedIn bestenfalls für Alles zusammen: als Plattform für Recruiting, Marketing, Akquise, Information und Pflege der Bestandsmandanten. Quasi die eierlegende Wollmilchsau!

 

Je nach Zweck Ihres Online-Auftritts erreichen Sie die jeweiligen Zielgruppen durch:

  • Sichtbarkeit: Die sorgfältige Einrichtung eines Profils, also die schlichte Existenz auf LinkedIn, ist der erste Schritt. Sie sind auf der Plattform vertreten und auffindbar. Doch dann geht die eigentliche Arbeit erst los, denn es gilt nicht nur, sich ansprechend zu präsentieren, sondern auch, sich aktiv zu engagieren.
  • Fachinformation: Das Schreiben eigener Artikel und Beiträge demonstriert juristisches Fachwissen. Wenn die Zielgruppe nicht Juristen, sondern (potenzielle) Mandanten sind, sollte man das bei der Formulierung zwingend berücksichtigen. Keine „Juristensprache“ und keine Sätze, die scheinbar nie enden, verwenden! Das liest sonst nämlich keiner. Alle haben wenig Zeit. Man möchte kurz, knackig und aktuell informiert werden, wenn man – nach Feierabend, in der U-Bahn stehend – die neuen Beiträge der Netzwerkkontakte überfliegt.
  • Sachinformation: Durch Verkündung aktueller Kanzlei-Informationen können Sie ab und an auch einen Blick hinter die Kulissen Ihrer Kanzlei gewähren. Sei es durch die Vorstellung neuer Mitarbeiter, die Ankündigung des Umzugs in großzügigere Räume oder die Einladung zur Vernissage wegen neuer Kunst in den Kanzleifluren.
  • Recruiting I: Veröffentlichung von Jobausschreibungen und Sourcing von geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten.
  • Recruiting II: Vernetzung mit potenziellen Mitarbeitern bevor akuter Bedarf besteht. Denn: Man soll das Netzwerk bauen, bevor man es braucht.
  • Austausch von Informationen und Gedanken: Kommentieren, Mitreden, Netzwerken. Aufmerksamkeit und Anteilnahme zeigen. Interessante Personen abonnieren.

Kurzum: Durch Sichtbarkeit und geeignete Aktivitäten kann man auf LinkedIn Sympathie und Vertrauen gewinnen. Das sind essenzielle Grundlagen für Mandatsverhältnis, Arbeitsverhältnis und kollegiale Zusammenarbeit.

 

Wahlstation in Kapstadt! – LinkedIn für Jurastudenten und Referendare

Sichtbarkeit im Internet ist für alle Juristen wichtig. Neben selbstständigen Rechtsanwälten finden sich auch viele angestellte Juristen aus Kanzleien und Unternehmen bei LinkedIn. Einerseits ermöglicht es das Vernetzen mit Kunden, Mandanten und Kollegen im Ausland, andererseits ist man für den Tag gewappnet, an dem man vielleicht doch einmal den Job wechseln will (oder muss). Hilfreich ist LinkedIn darüber hinaus für engagierte Jurastudenten und Referendare auf der Suche nach Praktikumsstellen, Nebenjobs oder interessanten Stationen während des Referendariats.

 

Persönliches bei LinkedIn posten? Es kommt darauf an…

Obacht: LinkedIn ist kein zweites Facebook! Diesen Einwand liest man immer wieder. Ich kann ihn grundsätzlich unterstreichen, sehe aber durchaus eine kleine Grauzone.

 

Vereinzelte Fotos von

  • dem gemeinsamen Lunch-Meeting mit einem Kollegen,
  • dem Kanzleihund,
  • der bürointernen Laufgruppe am Tag des Halbmarathons,
  • den drei Business-Büchern auf der Leseliste oder
  • den Arbeitsbedingungen eines temporär remote im Ausland arbeitenden Juristen

finde ich durchaus legitim. Im Anzug am Schreibtisch herrscht oft Uniformität. Vorgenannte Beiträge dienen dazu, eine weitere Facette des Juristen zu zeigen: sei es die Liebe zu gutem Essen, den Vierbeinern, Sport, Büchern oder Reisen. Alles steht in beruflichem Kontext. Man sollte nicht vergessen, dass viele Selbstständige Berufliches und Privates oft nicht haarscharf trennen. Und auch Angestellte haben spätestens im Homeoffice „zu Corona-Zeiten“ gemerkt, dass die Sphären manchmal gar nicht so klar trennbar sind (wenn das Kleinkind während des Zoom-Calls mit dem Chef unvermittelt reinplatzt und spielen will).

 

Wie man auf LinkedIn anfängt? Beobachten Sie!

Wer noch nicht so recht weiß, wie er LinkedIn nutzen will, kann erst einmal beobachten, was die Kollegen machen, mit der Plattform warm werden“ und ein Gespür für Themen, Tonalität und Handling bekommen. Ob Folgen oder Adden, andere taggen, Referenzen erhalten, Hashtags verwenden, Content-Arten produzieren, Beiträge liken oder teilen etc.: LinkedIn unterscheidet sich in vielen Details von Xing. Mein Tipp: Statt trockene Leitfäden über die Handhabung zu lesen, halte ich es für deutlich effizienter, sich mit einem langjährigen Nutzer aus dem Bekanntenkreis zusammenzusetzen und die Grundlagen zeigen zu lassen. Macht auch mehr Spaß!

 

Viel Erfolg beim Networking!