Marian Härtel ist IT-Rechtsanwalt und Unternehmensberater. Er ist spezialisiert auf die Bereiche Online-Entertainment, Webmedien und Computerspiele und berät Mandanten aus Europa, den USA oder Asien. Es sind hauptsächlich Spieleentwickler, Online-Unterhaltungsplattformen oder Kreative, die Inhalte für Plattformen und Social Media-Kanäle schaffen. Eine globale Industrie mit gigantischen Umsätzen. Ein Gespräch über digitale Wertschöpfung, das rasant wachsende Mobile-Gaming und warum klassische Kanzleien dabei oft außen vor bleiben.
Die Spielebranche, in Deutschland lange belächelt. Definiert man sich hierzulande immer noch über klassische Industriezweige wie die Autoindustrie? Oder hat sich die Games-Branche etabliert?
Die Branche hat es noch sehr schwer. Es geistern leider immer noch Schlagworte wie „Killerspiele“ herum und die wenigsten können den kulturellen Wert von Spielen einschätzen, aber auch ebenso wenig wie populär das „Spiel“ vor allem auf mobilen Geräten geworden ist.
Vielleicht auch schwierig, weil vieles nicht als „Spiel“ wahrgenommen wird.
Das ist tatsächlich so, die meisten denken dann oft an große Namen wie „Call of duty“ oder „FIFA“. Aber schauen Sie mal, was die Leute unterwegs, im Bus oder in Wartebereichen machen – sie zocken. Und zwar mit dem Smartphone, die auch für Spiele immer leistungsfähiger geworden sind. Diese vielen kleinen Spiele, unterwegs schnell ein paar Minuten gespielt, haben den Alltag komplett durchdrungen. Die gehören genauso in den Markt und liefern beeindruckende Zahlen.
Der ‚State of Gaming App Marketing 2020‘ von AppsFlyer nennt bei den Spiele-Apps einen Zuwachs von 45% im Vergleich zu 2019. Ist das Mobile-Gaming das Zugpferd der digitalen Spielewirtschaft?
Absolut. Die größten Spieleentwickler verdienen vor allem oder ausschließlich mit Mobilspielen Geld, wobei der Bereich seine ganz eigenen betriebswirtschaftlichen Probleme aufgrund der hohen Konkurrenz hat. Die Branche hat sich in den letzten 20 Jahren sehr verändert.
Konkretes Beispiel: Was sind klassische Aufgaben eines Juristen, der Gaming-Firmen berät oder die Entwicklung eines Spiels begleitet?
Klassische Fälle sind neben der Gründung von Start-up-Entwicklern und deren Begleitung bei staatlichen Fördermechanismen vor allem, dass man sogenannte Publishingverträge erstellt. Dies um gerade international auch präsent zu sein, es geht um den Vertrieb und das Marketing rund um ein Spiel und um die Nutzungsrechte. Ein Spieleentwickler, der nur Deutschland als Absatzmarkt ansieht, kann nicht überleben, vor allem nicht im Bereich der Mobilspiele. Bei Spieleentwicklern deckt man dann meist die gesamte Bandbreite von Kooperations- bis Arbeitsverträgen ab. Es geht später aber auch um Merchandising bzw. Lizenzen, wenn beispielsweise bekannte Figuren aus einem Spiel vermarktet werden.
Wie hat sich Unterstützung der Spielemacher geändert?
Der klassische Vertrieb, also ein Spiel in die Läden und Shops zu bringen, hat sich mit Internet und Smartphone sehr gewandelt. Den Spielen liegen heute häufig nur noch Codes und keine Datenträger bei. Viele Kreative entwickeln Browserspiele selbst, dafür haben sie nun ein anderes Problem: Das Spiel muss sein Publikum erreichen.
Ein unübersichtlicher Markt mit zu vielen Titeln?
Kann man durchaus sagen, wenn man sich die Flut von neuen Spielen anschaut, die im App Store auftauchen. Wer soll sich mit denen alle beschäftigen? Das heißt, ein Spiel zu vermarkten, es geschickt zu vertreiben und zu bewerben, dass es von den Käufern in der Flut der neuen Titel wahrgenommen wird, ist ein entscheidendes Kriterium. Und hierzu sind Verträge und anwaltliche Beratung notwendig. Das ist dann auch meine Aufgabe: Eine Mischung aus unternehmerischem Coaching und juristischer Beratung. Steuerliche Fragen klären, eine sinnvolle Unternehmensform wählen und wie man mit Ideen umgeht.
Fällt der Branche der Austausch mit der Robenzunft leicht?
Ich habe keinen klassischen Anwaltshintergrund, das hilft mir. Ich bin Unternehmer, kenne das Geschäft seit Jahren gut, verstehe die Abläufe und Probleme in der Branche und habe ein großes Netzwerk, das ich hinzuziehen oder zu dem ich vermitteln kann. Da stellt sich dann mit meinen Mandanten schnell ein Austausch auf Augenhöhe ein. Ich erlebe auch, dass es für Kanzleien mitunter schwierig ist, die in diesen Bereich hineinwollen. Wichtig ist, dass man die Branche kennt, um die gleiche Sprache zu sprechen, und mit den typischen Problemen und Fallen vertraut ist. Wenn das nicht geht, ist es meist schwer, Vertrauen bei den beteiligten Kreisen zu erlangen.
Die Beratung differenziert sich aber weiter aus.
Eine weitere Aufgabe ist im Bereich E-Sport die Erstellung von Spielerverträgen für E-Sport-Teams oder Sponsorenverträge. Ebenso relevant ist die rechtliche Betreuung von Marketingagenturen und Influencer in der Branche. Für Influencer ist es zum Beispiel ein ganz großes Thema, wann sie Werbung kennzeichnen müssen. Hierzu liegt ein aktueller Gesetzesentwurf vor, über den ich kürzlich auch in meinem Blog geschrieben habe.
Der Economist berichtete kürzlich, dass die Kosten für High-End-Spiele extrem angestiegen sind. Budgets für große Titel können 100 Millionen Dollar übersteigen.
Da geht es schon um hohe Summen und entsprechende Risiken. Floppende Spiele mit vergleichsweise geringem Budget sind zu verschmerzen. Scheitert ein Blockbuster, in den viel Geld gepumpt wurde, sieht es schlechter aus. Hier gibt es einige Kollegen, die hierzu beraten, allerdings wird bei solchen Unternehmen die meiste Arbeit von Inhouse-Juristen geleistet, so dass es selten Bedarf für dezidierte Spielejuristen gibt, die man hinzuzieht. Meine meisten Mandanten sind kleine Start-ups bzw. mittelständische Unternehmen.
Wie häufig stehen Ideen oder Ansätze eines Spiels urheberrechtlich im Streit?
Hier gibt es keine Unterschiede zu klassischem Urheberrecht. Die Ideen sind in der Regel nicht geschützt, sondern nur die konkreten Werke. Daher sind auch Non-Disclosure Agreements wichtig, also Vertraulichkeitsvereinbarungen, die auch zu meiner Arbeit gehören. Kreative müssen ihre Ideen schützen können, und können sich so absichern, dass Entwürfe oder Konzeptionen nicht weitergegeben werden.
Sehen Sie auch Ungleichheiten und einen Kampf um digitale Vorherrschaften?
Die Mängel in der Förderpolitik und vor allem im Umgang mit Investoren betreffen leider auch die Spielepolitik und hindert deren Wachstum und wirtschaftliche Stabilität. Der hohe Wettbewerbsdruck führt zudem aktuell zu einer hohen Konzentration hin zu weniger Publishern und Anbietern, auch wenn diese eine Multi-Marken-Strategie adaptiert haben, damit es weniger auffällt. Daraus resultieren ferner immense Probleme für kleine Indie-Entwickler, die kaum genug Bekanntheit für ihre Titel erlangen können, um profitabel zu arbeiten.
Online-Gaming beflügelt auch die Cloud-Wirtschaft. Eine Gefahr für Monopolstellungen, wenn wenige Anbieter wie Amazon entscheidend große Speicherkapazitäten zur Verfügung stellen können?
Das ist eher eine Frage für die EU und man muss hier sicherlich aufpassen. Es gibt inzwischen aber auch zahlreiche Anbieter für Clouddienste, wenn auch selten aus Europa. Was aber viele überrascht: nur in wenigen Fällen braucht es für das Online-Gaming wirklich weltweit verfügbare Server.