Waren Sie schon einmal auf einer Feier, auf der niemand gesagt hat: „Ach, du bist Anwalt? Kann ich dich mal kurz etwas fragen? Ist auch nur eine ganz kleine Frage, sicher ganz einfach zu beantworten.“ Selten, oder? Manchmal ist die einfache Frage dann allerdings abendfüllend, die Antwort geht weit über ein „Kommt drauf an“ hinaus und der Spaß etwas unter. Genauso kennen Sie sicherlich auch die plötzlichen Anrufe oder Mailanfragen entfernter Verwandter oder Bekannter, die sich lange nicht gemeldet haben, beim Auftauchen irgendwelcher rechtlichen Probleme aber gern mal wieder Kontakt aufnehmen. Und manchmal machen wir das ja auch sehr gern, vielleicht passt das Thema oder die Situation und außerdem gibt es auch dem Helfer ein gutes Gefühl, wenn er unterstützen kann. Manchmal passt es allerdings auch nicht.
Und warum sagen wir trotzdem „Ja“?
„Nein“ zu sagen, wenn wir ganz genau wissen, dass ein „Ja“ für uns viel Generve oder Energieverschwendung oder Zeitgefresse bedeutet, ist nicht immer ganz leicht. Weil wir in der Regel gern gemocht werden möchten und zumindest unbewusst meinen, das würde nur mit ganz vielen „Ja“ funktionieren. Dabei schenkt uns ein bewusst eingesetztes „Nein“ an der einen oder anderen Stelle so viel Energie! Nein zu der Cousine 8. Grades, die auf der Familienfeier nur mal kurz eine sogenannte einfache rechtliche Frage hat. Nein zu dem Mandanten, der mit dem ebenfalls nur sogenannten einfachen sozialrechtlichen Fall kommt, wenn Sie ihn doch sonst in Ihrem Gebiet des Immobilienrechts betreuen. Nein zum Erreichen von Zielen, die gar nicht unsere sind.
Es lohnt sich, immer mal wieder bewusst auf die eigene Grenze zu schauen und solche Anfragen freundlich und klar abzulehnen. Denn wir sind es häufig nur selbst, die meinen, dass wir es allen rechtmachen müssen. Und dann sitzen wir da und arbeiten uns ein in Sachen, die irgendwie immer länger dauern als vermutet und mit denen wir uns auch gar nicht beschäftigen wollen. Wenn wir es aus irgendeinem guten Grund mit voller Überzeugung tun, ist alles gut. Ansonsten kann es sehr lästig sein.
Zwei Tricks, die das Neinsagen leichter machen:
- Sagen Sie „Nein“ zur Sache, nicht zur Person
- Kein „Nein“ ohne Lösung
„Nein“ zur Sache, nicht zur Person
Natürlich antworten sowieso die wenigsten von uns mit: „Geht’s noch? Nerv mich nicht mit deinen Geschichten, jetzt nicht und nie wieder!“ Wie aber können wir unsere Ablehnung so kommunizieren, dass wirklich deutlich wird, dass sie nur die Sache betrifft?
Eine Möglichkeit ist es, zunächst Verständnis zu zeigen für die Situation, in der der Fragende sich befindet. Wir können bedauern, dass unser Gegenüber in diesem Problem steckt und müssen es trotzdem nicht immer direkt selbst lösen. Und wir können uns bedanken. Für das Vertrauen, dass uns entgegengebracht wird und dafür, dass wir gefragt wurden. Es erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Person mit dem Problem uns gegenüber Verständnis aufbringt und nicht gekränkt reagiert.
Damit unsere Mitmenschen tatsächlich merken, dass nicht sie selbst als Person abgelehnt werden, ist noch etwas nützlich: Es genau so zu meinen.
Kein „Nein“ ohne Lösung
Gemeint ist hier nicht die Lösung des gesamten Problems. Was Sie anbieten können ist aber vermutlich eine Alternative für den nächsten Schritt. Denn Sie zu fragen hat nicht geklappt und da sind möglicherweise ein bisschen Enttäuschung oder Unverständnis vorhanden. Vielleicht kennen Sie aber eine Kollegin oder einen Kollegen, der in der Sache kompetent ist, so dass Sie eine wertvolle Empfehlung aussprechen können. Oder Sie kennen eine gute Webseite, die weiterhelfen wird, je nach Art des Problems vielleicht auch ein Buch.
Noch einfacher sind die Fälle, in denen Sie selbst eine Alternative anbieten können. Wenn Sie im Moment keine Kapazität für die Frage haben, aber möglicherweise in drei Wochen. In denen sich das ein oder andere Problem ja auch auf wundersame Weise anderweitig löst oder nicht mehr so dringend ist. Ansonsten aber können Sie sich wenigstens damit beschäftigen, ohne sich zu ärgern.
Warum sollten wir überhaupt „Nein“ sagen?
Jedes „Ja“ zu einer Sache, die wir eigentlich gar nicht möchten, ist gleichzeitig ein „Nein“ zu etwas anderem. Meistens dann zu Dingen, die uns eigentlich wichtig waren. Ein „Nein“ zum eigenen Feierabend vielleicht, zur Sporteinheit, zum Essen mit der Familie. Oder dazu, die Arbeit an einer wichtigen Frist endlich mal schon ein paar Tage vor Ablauf zu beginnen, zu dem Gespräch mit den Kolleg*innen über die Kanzleistrategie, zum Fachartikel. All diese Dinge, die noch nicht dringend genug sind und deshalb immer wieder hinten herunterfallen, obwohl sie uns eigentlich wichtig sind.
„Eigentlich“ ist dabei wie so oft ein Alarmwort. Es zeigt uns, wo wir selbst noch nicht ganz klar sind in unserer Entscheidung. Das können wir nutzen und immer, wenn wir „eigentlich“ denken kurz innehalten und uns fragen, was wir wirklich gerade wollen. Wenn wir selbst Klarheit über unsere Prioritäten haben, können wir unsere Entscheidung viel leichter auch kommunizieren. Wenn wir das in dem Moment der Frage gerade selbst nicht für uns sortieren können, können wir uns dafür auch Zeit verschaffen und eine Antwort für einen späteren Zeitpunkt ankündigen.
Wenn Sie sehr lange zu sehr vielen Dingen verlässlich „Ja“ gesagt haben, wird Ihre Umwelt womöglich erstmal etwas irritiert reagieren. Lassen Sie sich nicht beirren. Wir Menschen sind Gewohnheitstiere und Ihre Umgebung wird sich auch an Ihre neue oder ausgebaute Klarheit in eigener Sache gewöhnen, sich möglichweise sogar selbst inspirieren lassen und ab und zu ein freundliches „Nein“ ausprobieren. Es macht das Leben leichter ohne es den anderen zu erschweren. Und es könnte die ein oder andere Feier retten.